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JAHRESRÜCKBLICK

Wirtschaftszeitung Aktiv, Ausgabe zum 17. Dezember 2022

Aufträge sind da, aber Lieferengpässe, Kostensteigerungen und mehr setzen Betriebe unter Druck. Wie stemmen sie das? Vier Mitarbeitende von Herborner Pumpen berichten

Herborn. Mit gut 140 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von rund 24 Millionen Euro zählt die Herborner Pumpentechnik zum klassischen Mittelstand. Und der hatte 2022 besonders zu leiden unter den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, der Lieferengpässe, Preissteigerungen und vor allem explodierende Kosten für Energie nach sich zog.

So zeigte eine Blitzumfrage des Arbeitgeberverbands Hessenmetall, dass fast alle hessischen M+E-Unternehmen (96 Prozent) von den Kostensteigerungen bei Energie und energieintensiven Vorleistungen betroffen sind – etwa jeder achte Betrieb wird dadurch sogar in seiner Existenz bedroht.

Beim aktiv-Besuch im Familienunternehmen Herborner Pumpen erzählten vier Mitarbeitende, darunter Geschäftsführer Wolfram Kuhn, wie das Unternehmen durch das Krisenjahr 2022 kam und welche Maßnahmen dafür getroffen wurden.

 

„Zeit und Muße bleiben ein frommer Wunsch“

Sascha Korupp, Technischer Leiter

„Wie sich unsere Welt durch Corona und dann durch den Krieg in der Ukraine gedreht hat, ist schon heftig. Glücklicherweise haben wir bei Herborner Pumpen in der Vergangenheit viele Weichen gut gestellt. So nutzen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung, um zum Beispiel unsere Prozesse zu optimieren oder auch die Materialbestände und noch wichtiger, um die Bedarfsentwicklung immer genau im Blick zu behalten.

Das vorausschauende Arbeiten hat uns auch im Hinblick auf die explodierenden Kosten im Energiesektor geholfen. Wir betreiben europaweit die einzige Gießerei, welche unter idealen Bedingungen mit regenerativer Energie betrieben wird. Dies erfolgt dank Photovoltaik-Anlagen und passender Batteriespeichersysteme, welche wir den Möglichkeiten und Anforderungen entsprechend kontinuierlich ausbauen. Zudem haben wir unter anderem in neue Schmelzöfen und eine thermische Sandaufbereitung investiert. Das ist nicht nur gut fürs Klima – wir sparen mehr als 600.000 Kilogramm CO2 pro Jahr ein –, sondern auch sehr effizient. Aktuell beschäftigen wir uns mit Wasserstoff als weiterem alternativen Energieträger.

Für die Zukunft wünsche ich mir etwas mehr Zeit und Muße, damit wir uns, weniger gehetzt durch globale Katastrophen und deren Folgen, um die Weiterentwicklung des Unternehmens kümmern können. Aber ich befürchte, das bleibt wohl ein frommer Wunsch.“

„Es kommt ständig noch etwas obendrauf“

Wolfram Kuhn, Geschäftsführer

„Dieses Jahr empfand ich als physisch wie psychisch sehr belastend. Es ist extrem, wie viele Bälle man inzwischen in der Luft halten muss, und gefühlt kommt ständig noch einer dazu, zum Beispiel neue Auflagen des Staats wie das Lieferkettengesetz. Für den Mittelstand ist das alles kaum noch zu leisten und es trifft mich, wenn ein Nachbar, altes Familienunternehmen wie wir, Insolvenz anmelden musste.

Wir selbst hatten Glück und 2022 ein überraschend gutes Jahr. Wir versuchen immer, technologisch die Nase vorne zu haben. So entwickeln wir seit über 20 Jahren hocheffiziente Pumpen, was uns jetzt sehr zugute kommt. Dies wird auch seitens des Staates unterstützt, so dass viele Betreiber – über das ZUG-Programm gefördert – alte Pumpen gegen neue, energiesparende Pumpen austauschen konnten.

Für die Zukunft wird eine wichtige Frage sein, wie viele Schwimmbäder bei steigenden Energiepreisen überhaupt noch betrieben werden können. Deshalb rechnen wir im nächsten Jahr mit einem Umsatzrückgang. Erschwerend kommt hinzu, dass wir hohe Lagerbestände aufgebaut haben, um lieferfähig zu sein. Dies musste alles vorfinanziert werden, doch irgendwann sind auch gute Rücklagen aufgebraucht. Das wird dann die nächste große Herausforderung werden.

„Flexibilität hat eine neue Dimension bekommen“

Susanne Jung, Vertriebssteuerung und Marketing

„Flexibilität hat in diesem Jahr eine neue Dimension bekommen. Unsere Pumpen basieren in der Regel auf sogenannten Baukastensystemen, aus denen jede einzelne Pumpe anwendungsbezogen zusammengestellt wird. Das bedeutet auch, dass wir neben einer eigenen Teilevielfalt auch viele verschiedene Zulieferteile beziehen.

Lieferengpässe, steigende Preise und Zeitverzögerungen waren und sind ein ständiges Thema. Da alle im gleichen Dilemma stecken, werden die Preiserhöhungen oder Terminverschiebungen seitens unserer Kunden durchaus akzeptiert.  Zunehmend trifft uns die Lieferkettenproblematik aber auch umgekehrt: auch unsere Kunden verschieben die Termine, weil auf deren Baustellen ebenfalls Teile oder Arbeitskräfte fehlen. Deshalb sitzen wir hier inzwischen auf einer ganzen Menge fertiger Pumpen, die wir noch nicht in Rechnung stellen können. Das heißt, wir gehen in Vorlage, und das muss ein Unternehmen erst einmal stemmen können. Für uns gehört das aber auch zu dem vertrauensvollen und ehrlichen Umgang miteinander dazu.

Dass diese Einstellung ankommt, bestätigten uns die Kunden auf der Interbad in Stuttgart. Statt klassischer Produktvorstellung hatten wir eine Art "Biergarten" aufgebaut und vier Tage volles Haus. "Mit unserem neuen Messekonzept haben wir offenbar den Nerv der Zeit getroffen, Menschen einen Ort fürs Zusammensein und der damit einhergehenden intensiven Kommunikation zu bieten“.

„Wir kaufen, was wir bekommen können“

Michael Dickel, Leiter Einkauf

„In jetzt mehr als 34 Jahren Tätigkeit im Einkauf habe ich so ein Jahr wie 2022 noch nicht erlebt. Es ist extrem, wie viel Aufwand wir betreiben müssen, um alles zu bekommen, egal ob es um Rohstoffe für die Gießerei geht, um Motoren oder Kleinteile für die Pumpen-Fertigung. Auf manche Sachen muss man Wochen oder sogar Monate warten. Lieferzeiten haben sich immens verlängert, entsprechend muss früher und für einen längeren Zeitraum geplant werden. Oft ergeben sich Kettenreaktionen, weil unsere Lieferanten nicht beliefert werden. Das passiert vor allem, wenn Elektronik im Spiel ist und die steckt z. B. auch in den Frequenzumrichtern, die wir zukaufen.

Um Abhängigkeiten zu verhindern, setzen wir schon seit vielen Jahren immer auf mehrere Lieferanten für ein Produkt. Das hat sich jetzt bezahlt gemacht, denn einer kann meistens liefern. Wir haben unsere Sicherheitsbestände höher gesetzt und Rahmenverträge mit Zulieferern ausgebaut.

Unsere Kennziffern wurden verfeinert, und danach kaufen wir ein. Manchmal was wir bekommen können, aber stets unter Beachtung von Qualität und Preis. Denn die auf breiter Front enorm gestiegenen Preise waren die zweite große Herausforderung für den Einkauf im Jahr 2022. Alles wird einfach neu überdacht. Flexibilität ist gefragt.“

Herborner Pumpentechnik

  • Die innovativsten Pumpen der Welt entwickelt die Herborner Pumpentechnik für Schwimmbäder, Schiffe und auch Abwasseranlagen. Neben dem Stammhaus in Herborn gibt es Niederlassungen in Landsberg/Saale und in Dallas, Texas.
  • 1874 von Johann Heinrich Hoffmann in Herborn gegründet, ist das Unternehmen bis heute im Familienbesitz.
  • 140 Beschäftigte, der Umsatz lag 2021 bei rund 24 Millionen Euro.

 

Text: Maja Becker-Mohr

Kontakt

Herborner Pumpentechnik GmbH & Co KG

Littau 3-5
35745 Herborn
  +49 2772 933-0
+49 2772 933-100
  info@herborner-pumpen.com

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