BEZIRKSGRUPPE
Mittelhessen
Rechtstipp
Erfolgreiche Zustimmungsersetzung bei Einstellung – Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Bewerbungsverfahren
A. Sachverhalt
Unser Mitgliedsunternehmen hatte im November 2021 eine Stelle als Leiter Instandhaltung in der Entgeltgruppe E 9 intern und extern ausgeschrieben. Intern haben sich 3 Mitarbeiter, A, B und C beworben, von denen B schwerbehindert war. Am 11.01.2022 wurde dem Schwerbehindertenvertreter (SBV) mitgeteilt, dass es einen schwerbehinderten Bewerber für die Stelle gibt. Die Bewerbungsunterlagen erhielt er dann 3 Wochen später am 01.02.2022. Am gleichen Tag fanden die Bewerbungsgespräche mit den internen Bewerbern A, B und C statt. Vor Beginn des Bewerbungsgesprächs mit Bewerber B teilte die zuständige Personalleitung diesem mit, dass man vergessen habe die SBV zu dem Termin zu laden. Er wurde daher gefragt ob, er die Anwesenheit der SBV wünsche, dann werde der Termin verschoben was kein Problem sei. Dies lehnte B mit den Worten „Nein den brauche ich jetzt nicht mehr“ ab. Das Gespräch wurde daraufhin geführt.
Am Folgetag wurde die Personalleitung von B darüber informiert, dass der SBV mit der vorgesehenen Vorgehensweise nicht einverstanden sei. Die Personalleitung bot daraufhin an die Gespräch neu zu führen. Mit Mail vom 07.02.2022 bat die Personalleitung Herrn B konkret mitzuteilen, ob die Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an dem Gespräch gewünscht ist. Herr B antwortete mit Mail vom 08.02.2022 „NEIN möchte ich nicht, das habe ich der SBV auch so schon beim ersten Gespräch gesagt. Für mich war das Gespräch in einem sehr guten und angenehmen Rahmen.“ Es wurden sodann keine Gespräche mehr geführt. Die internen Bewerber A und C kamen zwar fachlich für die Stelle in Frage, verfügen aber beide über keinerlei Berufserfahrung bei der Führung von Mitarbeitern, was für die Stelle jedoch gewünscht ist. Aus diesem Grund sollten Sie bei Erhalt der Stelle zunächst in die Entgeltgruppe E 8 eingruppiert werden und erst bei Erwerb der entsprechenden Erfahrung die E 9 erhalten.
Beide Bewerber haben ihre Bewerbung für die Stelle zurückgezogen ohne einen Grund dafür zu nennen.
Erst danach sichtete das Unternehmen die externen Bewerbungen und entschied sich für Bewerber D, der in der Entgeltgruppe E 9 eingestellt werden sollte. Bewerber D verfügte über ausreichende Berufserfahrung bei der Führung von Mitarbeitern, und das selbe Fachwissen wie die internen Bewerber A und C, jedoch nicht über die geforderte Technikerausbildung.
Der Betriebsrat hat der Einstellung des Bewerbers D nicht zugestimmt. Begründet wurde dies wie folgt:
- Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BetrVG
Die Einstellung stelle einen Nachteil für die Bewerber A und C, sowie einen Verstoß gegen den Tarifvertrag dar, da D ebenfalls nicht über die geforderte Qualifikation verfüge und trotzdem in die E 9 eingruppiert werden solle. Die Bewerber A und C seien durch die Mitteilung der niedrigeren Eingruppierung dazu veranlasst worden ihre Bewerbung zurückzuziehen. Das sei eine unzulässige Beeinflussung des Bewerbungsverfahrens. - Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG
Die Nichtbeteiligung der SBV in den Bewerbungsgesprächen und die verspätete Übersendung der Bewerbungsunterlagen stelle einen Verstoß gegen § 164 Abs. 1 SGB IX dar.
B. Entscheidung
Das Arbeitsgericht hat unserem Antrag stattgegeben und die Zustimmung zur Einstellung des Bewerbers D ersetzt.
1. Kein Verstoß gegen ein Gesetz im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr.1 BetrVG wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der SBV.
a)
Dass der SBV die Bewerbungsunterlagen nicht unverzüglich zur Verfügung gestellt worden sind, sondern erst nach 3 Wochen stellt keinen Gesetzesverstoß im Sinne des § 99 BetrVG dar.
Nach § 178 SGB IX hat der Arbeitgeber die SBV in allen Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Menschen betreffen, unverzüglich und umfassend zu unterrichten. Dazu gehört auch die Einsichtnahme in die Bewerbungsunterlagen wenn ein schwerbehinderter Bewerber vorhanden ist. 3 Wochen ist nicht als unverzüglich anzusehen. Aber ein Verstoß gegen die Pflichten aus § 178 SGB IX begründet nur solange einen Zustimmungsverweigerungsgrund, bis die Beteiligung nachgeholt worden ist (§ 178 Abs. 2 S. 2 SGB IX). Hiernach ist die Maßnahme auszusetzen, bis die Beteiligung der SBV innerhalb von 7 Tagen nachgeholt worden ist.
Das Gericht führt hier aus, dass eine Überlassung der Bewerbungsunterlagen innerhalb von 14 Tagen noch als unverzüglich anzusehen ist. Die Überlassung nach 3 Wochen ist somit als Nachholung innerhalb von 7 Tagen zu werten, dies vor allem, da die endgültige Entscheidung über die Besetzung der Stelle deutlich nach Übergabe der Unterlagen erfolgte.
b)
Auch die Tatsache, dass die SBV nicht an den Bewerbungsgesprächen beteiligt war führt nicht zu einem Verstoß nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
Der schwerbehinderte Bewerber B hat in der Mail vom 08.02.2022 auf die Anwesenheit der SBV ausdrücklich verzichtet. Die mündliche Erklärung des Bewerbers B zu Beginn des Gesprächs „Nein den brauche ich jetzt nicht mehr“ hätte dem Gericht dagegen als Verzicht nicht ausgereicht.
2. Kein Verstoß gegen ein Gesetz wegen unzulässiger Beeinflussung des Bewerbungsverfahrens
Die Tatsache, dass die Arbeitgeberin die Bewerber A und C bei Erhalt der Stelle zunächst in die Entgeltgruppe E 8 eingruppieren wollte, ist nicht ausreichend, um davon auszugehen, dass dies nur erfolgte um die Bewerber zum Zurückziehen ihrer Bewerbung zu veranlassen. Darüber hinaus war seitens des Betriebsrates nicht vorgetragen, dass die Zurückziehung der Bewerbung mit der Eingruppierung im Zusammenhang steht. Die Arbeitgeberin hat klar dargelegt, warum eine Eingruppierung in die E 8 aus ihrer Sicht gerechtfertigt ist. Dies hat der Betriebsrat nicht widerlegt.
3. Kein Nachteil für andere Beschäftigte durch die Einstellung des D nach § 99 Abs.2 Nr. 3 BetrVG
Die Tatsache, dass der Bewerber D in die E 9 eingruppiert wird, während die Bewerber A und C nur in die E 8 eingruppiert worden wären, stellt keinen Nachteil von A und C im Sinne des § 99 Abs. 3 BetrVG dar.
Da die Bewerber ihre Bewerbung zurückgezogen haben, kann durch die Einstellung des D keine Benachteiligung eingetreten sein. Darüber hinaus sind die Bewerber A und C aktuell in der Entgeltgruppe E 7 eingruppiert, so dass es sich um eine Beförderungsstelle handelt. Der Verlust einer Beförderungsstelle stellt nur dann einen Nachteil im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG dar, wenn ein Rechtsanspruch auf die Stelle besteht. Das war vorliegend nicht der Fall.
C. Fazit
Ist bekannt, dass es auf eine ausgeschriebene Stelle schwerbehinderte Bewerber gibt, so ist die SBV umgehend zu beteiligen. Eine Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen ist aber nicht notwendig, wenn der schwerbehinderte Bewerber hierauf verzichtet. Gibt es mehrere schwerbehinderte Bewerber, müssen alle auf die Teilnahme verzichten, sonst ist die SBV an allen Gesprächen zu beteiligen. Ist eine Beteiligung der SBV unterblieben, so kann diese nachgeholt werden.