BEZIRKSGRUPPE

Mittelhessen

Rechtstipp November 2025

Entgelttransparenz im Fokus: EU-Reform und aktuelles BAG-Urteil erhöhen Anforderungen

Je nach Berechnungsmethode – ob bereinigt oder unbereinigt – liegt der sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts zwischen 6 und 16 %. Vergleichbare Werte finden sich auch in anderen europäischen Staaten. Vor diesem Hintergrund hat der europäische Gesetzgeber mit der Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970 reagiert. Bis zum 7. Juni 2026 müssen die EU-Mitgliedstaaten sie in nationales Recht überführen. Das Ziel der Richtlinie ist klar: Geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede zu verringern und den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ wirksamer durchzusetzen.

Wesentliche Neuerungen, die auf Arbeitgeber zukommen, beinhalten erweiterte Informations- und Auskunftsrechte für Beschäftigte, umfassendere Berichtspflichten zum geschlechtsspezifischen Entgeltgefälle und verschärfte Durchsetzungsmechanismen. So sieht die Richtlinie grundsätzlich vor, dass jeder Beschäftigte – unabhängig von der Betriebsgröße – Auskunft über die Entgeltstruktur verlangen kann. Darüber hinaus schreibt die Richtlinie vor, dass in Stellenanzeigen objektive, geschlechtsneutrale Kriterien und Gehaltsspannen angegeben werden müssen, und verbietet u. a. Klauseln, die die Gehaltsdiskussion einschränken oder verbieten. Hinzu kommen regelmäßige, geschlechtsspezifische Entgeltberichte, voraussichtlich für Unternehmen ab 100 Beschäftigte, die öffentlich zugänglich gemacht werden müssen. Zudem sieht die Richtlinie Sanktionen vor, wenn Arbeitgeber ihre Pflicht zur Gleichbehandlung nicht erfüllen, unter anderem Entschädigungsansprüche und rückwirkende Nachzahlungen sowie Geldbußen von bis zu 100.000 €.

Parallel zu den Neuregelungen aus der Entgelttransparenzlinie kommt auf Arbeitgeber auch durch eine einschneidende Entscheidung des BAG zusätzlicher Mehraufwand und Rechtsunsicherheit zu: Das Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az. 8 AZR 300/24) stärkt die Position von Arbeitnehmern in Equal-Pay-Klagen erheblich.

Das BAG hat klargestellt, dass für die Annahme einer geschlechtsbedingten Entgeltbenachteiligung kein umfangreicher Gruppenvergleich notwendig ist, sondern bereits ein sogenannter „Paarvergleich“ mit einem einzelnen, namentlich benannten, gleich oder gleichwertig tätigen Kollegen des anderen Geschlechts genügt. Eine Arbeitnehmerin muss sich also nicht mehr auf Durchschnittswerte stützen, sondern es genügt der Vergleich mit einem einzelnen, besser verdienenden männlichen Kollegen, um eine Diskriminierung zu vermuten. Die früher oftmals erforderliche „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ einer Diskriminierung hält das BAG nicht mehr für erforderlich. Kann der Arbeitgeber die Vermutung nicht durch sachlich neutrale Kriterien entkräften, muss das Entgelt angeglichen werden. Diese Entscheidung bedeutet für Unternehmen ein gesteigertes Risiko potenzieller Nachzahlungs- oder Entschädigungsansprüche – insbesondere dann, wenn Vergütungsentscheidungen bisher nicht transparent dokumentiert wurden.

Vor diesem Hintergrund ist ein systematischer Check der Vergütungsstrukturen bereits jetzt ratsam, um eventuelle Lücken in der Dokumentation vergangener Entgeltentscheidungen aufzudecken. Gleichzeitig sollte ein fairer, nachvollziehbarer Bewertungsprozess etabliert und transparent kommuniziert werden. Gerade für die künftig geforderten Auskunfts- und Berichtsprozesse ist es wichtig, interne Verantwortlichkeiten zu definieren und mit den Betriebsvertretungen zusammenzuarbeiten.

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie und das BAG-Urteil zeigen klar, dass Entgelttransparenz kein nice-to-have mehr ist, sondern ein zentraler Compliance- und Strategiefaktor für Arbeitgeber. Wenn Sie frühzeitig handeln, können Sie Risiken minimieren, gleichzeitig Ihre Vergütungsphilosophie modernisieren und am Ende auch das Vertrauen Ihrer Mitarbeitenden stärken.

RAin Katharina Marci

Syndikusrechtsanwältin

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