„Wir erfinden uns immer wieder neu“
Chef-Interview: Tobias Vogel von Vogel Werkzeug- und Formenbau in Oberzent über sein Verständnis von Unternehmertum
Ursprünglich als kleiner Metallbearbeiter gestartet, stellt Vogel Werkzeug- und Formenbau im Odenwälder Oberzent-Etzean heute komplexe Spritzgusswerkzeuge für die Kunststoff-Industrie her – und trotzt dem Wettbewerb aus China, wie aktiv beim Gespräch mit Geschäftsführer Tobias Vogel erfuhr.

Wirtschaftszeitung Aktiv vom 3. Mai 2025
Wie geht es Ihnen und Ihrem Unternehmen in diesen spannenden Zeiten?
Wenn man von der einen oder anderen Herausforderung einmal absieht, tatsächlich ganz gut. Wir haben eine gute Auftragslage, sind mit knapp 50 Beschäftigten ein tolles Team, das gerne zusammenarbeitet, und zudem leben wir hier in einer landschaftlich wunderschönen Region mit Blick auf Wald und Wiesen, Wild und jede Menge Pferde. Auch so etwas kann trübe Gedanken schnell vertreiben.
Gibt es denn trübe Gedanken?
Natürlich, die Veränderungen in unserer Welt und die damit verbundenen Auswirkungen, auch auf ein Unternehmen wie unseres, machen einem schon Sorgen. Wir stellen für deutsche und internationale Partner hochwertige Spritzgießwerkzeuge für ein breites Anwendungsspektrum her. In unserer angeschlossenen Spritzgussfertigung werden diese Werkzeuge gemäß internationalen Freigabeverfahren zur Serienreife gebracht und zusammen mit weiteren Kundenwerkzeugen in Serienproduktion oder als Einzelstücke gefertigt. So laufen hier dann Schmiermittelbehälter für die Rotoren von Windkraftanlagen ebenso vom Band wie Stecker für die Kabelbäume in E-Fahrzeugen. Man muss herausfordernde Zeiten einfach als echte Chance begreifen, Dinge zu überdenken und auch einmal Neues zu versuchen. Wir erfinden uns immer wieder neu und das hat Vogel sicher dort hingebracht, wo wir heute sind.
Wie war die Entwicklung von Vogel Werkzeug- und Formenbau?
Unser Unternehmen entstand 1955, also mitten in den Zeiten des Wirtschaftswunders. Unser späterer Gründer flüchtete im Nationalsozialismus nach Amerika und konnte dort Fuß fassen durch die Produktion von Reißverschlüssen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam er zurück nach Etzean, weil er hier noch ein Haus hatte. Als er sah, dass vielen Menschen die Arbeit fehlte, baute er eine kleine Metallbearbeitung für die Fertigung von Reißverschlüssen auf. Mit der Zeit wurden auch Formen für die Kunststoff-Industrie gefertigt. Ab 1969, da war mein Vater Peter Vogel schon in der Firma, wurden dann die ersten Kunststoffteile hier hergestellt. Und irgendwann machten wir dann auch Spritzgusswerkzeuge. Das alte Haus des Gründers gibt es immer noch. Darin arbeiten heute unsere Entwickler und Konstrukteure.

Wie war Ihr eigener Werdegang?
Mit 18 und dem Abitur in der Tasche konnte ich mir nicht vorstellen, hier einzusteigen. Ich studierte lieber Lehramt fürs Gymnasium. Damals habe ich zwar viel gelernt, aber der Beruf passte nicht zu mir. Als Werkstudent schnupperte ich dann zwei Tage die Woche parallel zum Studium ins Unternehmen rein. Mein Vater stellte mir dabei bewusst anspruchsvolle Aufgaben, zum Beispiel im Bereich Qualitätssicherung und Arbeitssicherheit – und damit hatte er mich.
Das heißt, Ihr Vater motivierte Sie so, im Unternehmen Verantwortung zu übernehmen?
Ja, aber auch so manche Kollegen. Viele hier kannten mich schon als Kind. Also wollte ich keine Fehler machen und kniete mich rein. Fehlendes Wissen erarbeitete ich mir anfangs autodidaktisch. Später kamen viele Lehrgänge und sonstige Weiterbildungsmaßnahmen hinzu. Es faszinierte mich immer mehr, tiefer einzusteigen. Ich wollte wissen, was alles zu einem funktionierenden Produktionsbetrieb gehört, wie man ihn gut am Laufen hält und auch weiterentwickelt. Hinzu kam die Freude daran, wenn man eine herausfordernde Aufgabe als ganzes Team bewältigt hatte. Irgendwann konnte ich es mir gut vorstellen, hierzubleiben und mehr und mehr Verantwortung zu übernehmen. 2022 wurde ich dann Mitglied der Geschäftsleitung und seit 2024 bin ich allein für das Unternehmen verantwortlich.
Wie fühlt man sich mit all der Verantwortung?
Unternehmer sein in einem Familienunternehmen unserer Größe muss man wirklich wollen, denn es ist ein Job, der einen permanent ausfüllt und beschäftigt. „Heute keine Lust“ geht nicht. Es gibt niemanden „obendrüber“, der die Verantwortung übernimmt. Es ist eine Kombination aus Druck und Freiheit bei allen Entscheidungen, der man sich jeden Tag aufs Neue stellen muss. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich mir mit dieser Entscheidung Zeit lassen konnte, und es macht mich stolz, nun dazu beitragen zu können, dass sich Vogel bei allen Problemen am Markt weiter behauptet.

Was sind Ihre aktuellen Herausforderungen?
Neben dem Alltagsgeschäft, den Betrieb zukunftsfähig aufzustellen, ist das die Aufgabe, die Kosten im Griff zu behalten und gute Fachkräfte und damit auch Azubis zu finden. Dabei wird der Wettbewerbsdruck von außen immer größer. So wie hier der Einzelhandel unter Druck gerät, weil Billigklamotten aus China im Internet gekauft werden, bekommen auch wir Probleme, wenn der Kunde nur noch billig will.
Was machen Sie dagegen?
Wir setzen immer mehr auf komplexe Produkte mit viel Beratungsbedarf, denn wir haben hier alle Kompetenzen unter einem Dach gebündelt, beginnend bei der Konstruktion. Zudem veredeln und bedrucken wir die Kunststoffteile und auch ganze Baugruppen. Im Zweifel kommen die Kunden hierher und wir finden gemeinsam eine Lösung, um ihr Produkt herzustellen. Und – bei allem Verständnis für die Globalisierung – wenn man nicht in verschiedenen Sprachen kommunizieren muss, passieren deutlich weniger Fehler.
Was muss sich in Deutschland ändern?
Jeder sollte wieder selbst zum Macher werden und nicht nur fordern, dass andere alles besser machen. Die Denkweise der Eigenverantwortung müsste wieder stärker in der Gesellschaft ankommen, vielleicht sogar zum Bildungsthema werden. Jeder Einzelne sollte seine Chancen und Möglichkeiten erkennen und nutzen. Das beginnt bei der persönlichen Aus- und Weiterbildung und geht bis zur Entscheidung, wo und was ich kaufe – im Kleinen wie im Großen
Zur Person:
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Interview: Maja Becker-Mohr // Fotos: Gerd Scheffler

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