Prozessautomatisierung schafft Freiräume und Mehrwerte

Artem Fadin, Geschäftsführer und Gründer von F-ONE Future of Work GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, im Gespräch über den Nutzen, die Vorteile und den Herausforderungen bei der Implementierung von robotergestützter Prozessautomatisierung und die Vorzüge einer Mitglied­schaft im Arbeitgeberverband  HESSEN­METALL Bezirksgruppe Rhein-Main-Taunus e. V.

F-ONE Future of Work GmbH bietet Prozessautomatisierung für alle möglichen operativen Prozesse an. Gegründet wurde das Startup mit Sitz in Frankfurt am Main von Artem Fadin. Der studierte Finanzexperte bezeichnet sein Geschäftsmodell „als Manufaktur für digitale Mitarbeiter“.

Stellen Sie bitte Ihr Unter­nehmen und das Geschäftsmodell vor. Was genau bieten Sie an?

Wenn man darüber nachdenkt, sind digitale Geschäftsprozesse absolut faszinierend. Vor 15 Jahren fuhr ich noch zum Reisebüro, um Flugtickets zu kaufen. Heute geht das online in zwei Minuten und dann bekommt man alle Infos bis auf die Gate-Nummer in die Lufthansa-App zugestellt. Jedes Unter¬nehmen hat das Potenzial, seine Kunden zu begeistern und seine Mitarbeiter/-innen zu entlasten, wenn man wichtige Prozesse digitalisiert und automatisiert. Aber in Gesprächen mit Unternehmern und Managern kommen ganz andere Aspekte zur Sprache – alte EDV, schwerwiegende Projekte und extra Aufwand, um Daten in mehreren Systemen einigermaßen auf dem gleichen Stand zu halten. F-ONE ist ins Leben gerufen worden, um Prozessautomatisierung wieder spannend zu machen, so wie sie sein sollte.

Und wie genau machen Sie das?

In meinen ersten Monaten bei F-ONE, aber insbesondere nachdem ich bei dem DPAV (Red.: Deutschen Process Automation Verband) tätig wurde und Alessandro dazugekommen ist (Red.: Alessandro Mosca – Chief Engineer bei F-ONE, ausgebildeter Robotiker der früher bei CERN, UBS und Alten arbeitete), haben wir den Markt nach den besten Automatisierungslösungen durchsucht. Die Tools existieren – das ist nicht das Problem. Es ging uns darum, dass man die verfügbaren Technologien so bündelt, dass eine Geschäftsperson etwas damit anfangen und in ihrem Betrieb gewinnbringend einsetzen kann, und zwar nicht nur bei den Konzernen, sondern auch im Mittelstand. Kurz zusammengefasst: wir nehmen Workflow Engines, Containers, RPA, und KI und erstellen daraus „digitale Mitarbeiter“ oder „Softwareroboter“, die der Kunde ähnlich einsetzen kann wie Mitarbeiter im Home Office. Sie sind schnell und präzise, aber dafür weniger flexibel – genau das, was man für repetitive, regelbasierte Aufgaben braucht.

Ist das ähnlich wie Robotic Process Automation (RPA)? Davon hört man heutzutage häufig.

Ähnlich, aber viel besser. Die Robotic Process Automation (RPA) ist ein Ansatz zur Prozessautomatisierung, bei dem Softwareroboter (Bots) die menschlichen Tätigkeiten nachmachen und IT-Anwendungen über die Benutzeroberfläche bedienen. Damit haben wir angefangen, aber schnell festgestellt, dass RPA nur ein Teil der Lösung sein kann. Sie ist also ein Tool in unserer Toolbox.

Warum braucht man neben RPA noch weitere Tools bei der Prozessautomatisierung?

Hauptsächlich weil Geschäftsprozesse selten so einfach sind, dass sie in einem Lauf erledigt werden. Es gibt immer Ausnahmen, Wartezeiten und weitere betriebliche Herausforderungen. RPA-Lösungen sind dafür ursprünglich nicht ausgelegt. Plus, sie drehen sich um UI-Automatisierung (Red.: User Interface – Benutzeroberfläche), aber wenn es eine Schnittstelle gibt, dann sollte man sie immer nutzen, weil so die Stabilität und Zuverlässigkeit der Gesamtlösung erhöht wird.

Können Sie uns praktische Beispiele für die erfolgreiche Implementierung nennen?

Unser „robotischer Sachbearbeiter Rechnungswesen“ übernimmt die repetitiven Aufgaben im Rechnungseingang, Rechnungsausgang und Mahnwesen. Dabei werden die Lieferantenrechnungen automatisch ausgelesen, validiert, geprüft und ins System eingespeist, und Ausgangsrechnungen werden automatisch von Systemereignissen ausgelöst, vorbereitet und losgeschickt. Lediglich 15 % kann der Roboter aufgrund von verschiedenen Besonderheiten oder Fehlern nicht automatisch einordnen. Der Arbeitsanfall in der Rechnungsbuchhaltung wird dadurch deutlich reduziert und die Mitarbeiter können z.B. eine Fortbildung im Bereich Controlling machen – ein sehr wichtiges Thema im produzierenden Mittelstand.

Im Logistikbereich haben wir gemeinsam mit einem Kunden aus dem Bereich Spedition den sogenannten „robotischen Disponentenassistent“ erschaffen, der vollautomatisch die Frachtaufträge bearbeitet. Der „digitale Mitarbeiter“ prüft eigenständig die vorhandenen Transport-Kapazitäten, ruft Frachtaufträge bei der europäischen Frachtenbörse ab, berechnet Angebotspreise und lässt die besten Opportunitäten dem Disponenten zukommen. Damit kann der Disponent viel Zeit einsparen, aber noch wichtiger: er generiert 500 bis 1.000 Euro extra Umsatz pro Fahrzeug im Monat. Bei der Margenstruktur der meisten Spediteure macht das einen großen Unterschied.

Sehr spannend! Was sind die typischen Herausforderungen bei der Implementierung?

Bei der Implementierung selbst haben wir selten Probleme. Wir setzen uns selbst als Ziel, dass jedes Projekt innerhalb von vier Wochen abgeliefert werden muss. Uns geht es darum, dass wir das Rad nicht neu erfinden. Die Roboter werden aus den gleichen Modulen zusammengestellt, die wir individuell an die Bedürfnisse und Wünsche des jeweiligen Kunden anpassen.

Unsere größte Herausforderung als Firma besteht darin, neue Ideen für Roboter zu entdecken, zu validieren und umzusetzen. Wir sprechen ständig mit erfahrenen Beratern aus mehreren Branchen, um Probleme zu identifizieren, die von unseren Robotern gelöst werden können. Da sind wir natürlich jedes Mal sehr froh, von Kunden auf neue Problemstellungen angesprochen zu werden.

An welchen weiteren Ideen basteln Sie gerade?

Es sind einige. Wir möchten einen Roboter bauen, der Unter­nehmen bei der Stammdatenpflege und Datenmigration unterstützt. Das ist ein universales Problem. Der Roboter wird Datensätze durchgehen, auf Vollständigkeit prüfen, ergänzen, aktualisieren und vieles mehr.

Wir haben auch mit einem befreundeten Berater ein Konzept für einen Roboter besprochen, der auf Basis von Auftragseingängen im System prognostiziert, wann die Anlagen gewartet werden müssen. Das ist die wahre Predictive Maintenance. Viele Anlagenhersteller behaupten Predictive Maintenance anzubieten, in der Praxis bedeutet das aber selten Kostenoptimierung für das Unter¬nehmen. Sie werden Ihnen keine Einsparungspotenziale präsentieren – unser Roboter schon, weil das sein Job sein wird. Und dann gibt es ein potenzielles Projekt mit einer Gruppengesellschaft von Siemens, um das PLM-System (Produktlebenszyklusmanagement) mit dem ERP-System (Enterprise-Resource-Planning) zu verknüpfen. Für solche hochsensiblen Prozesse sind unsere Roboter besonders gut geeignet.

Was waren die größten Schwierigkeiten, die Sie auf dem Gründungsweg überwinden mussten?

Am Anfang hatten wir die Frage, wo finden wir Softwareentwickler/-innen. Diese konnten wir dank einer soliden, langfristigen Partnerschaft mit dem US-amerikanischen Personalunternehmen Kelly Services IT Solutions beheben. Nun steht uns ein großes internationales Team an Entwicklern zur Seite. Mit der zweiten Herausforderung schlagen wir uns noch: viele Unter¬nehmen sind müde von digitalen Transformationsprojekten. Es wurde in der Branche oftmals viel versprochen und wenig geliefert. Wie überzeugen wir die Kunden, dass wir wirklich auf ihrer Seite sind? Vergütung ist ein Aspekt: die Roboter werden erfolgsbasiert bezahlt (ähnlich wie Mitarbeiter) und es gibt keine Vertragsbindung. Aber das alles weiß der potenzielle Kunde nicht, wenn er das erste Mal von uns hört. Da müssen wir noch neue Wege finden.

Wie sieht es mit Datenschutz bei der Implementierung Ihrer Lösungen aus?

Die Frage ist wichtig. Das Thema Datenschutz hat für uns hohe Priorität, wir wollen eigentlich keine DSGVO-unterliegende Daten von unseren Kunden sehen. Da der Roboter am häufigsten beim Kunden „on-premise“ implementiert wird, erfordert dies in der Regel kein Datentransfer auf externe Server. Die Daten werden durch die Firewall des jeweiligen Kunden geschützt. Für technische Daten, so wie Uptime des Roboters oder Anzahl der Prozessiterationen für die Abrechnung, haben wir einen Server in Nürnberg.

Warum sind Sie Mitglied im Arbeitgeberverband HESSEN­METALL Rhein-Main-Taunus geworden?

Ich habe schon die Herausforderung angesprochen, etablierte Industrieunternehmen zu überzeugen, dass unser Ansatz wirklich anders ist. Über gemeinsame Bekannten wurde ich Katja Farfan (Red.: Referentin für Digitalisierung bei Hessenmetall) vorgestellt mit dem Hinweis, dass sie helfen könnte. Wir haben uns sehr gut verstanden und später auch mit Friedrich Avenarius (Red.: Geschäftsführer der Bezirksgruppe Rhein-Main-Taunus).

Ich finde es beeindruckend, wie viel der Verband macht, um das Thema Digitalisierung bei den Mitgliedsunternehmen zu unterstützen – Events, Seminare, Newsletter, Vernetzungsmöglichkeiten. Mitglieder bei HESSEN­METALL sind die renommiertesten Industriebetriebe Hessens und ich bin gespannt auf die Vernetzungsmöglichkeiten. Und wir bekommen natürlich noch arbeitsrechtliche Beratung und alle anderen Vorteile der Mitgliedschaft, das finde ich super.

Sie haben Vernetzungsmöglichkeiten erwähnt. Gibt es spezielle Gebiete, wo Sie Partner aus der Industrie suchen?
Am meisten freue ich mich auf die Gespräche mit visionären Geschäftsführern, die nach Digitalisierungslösungen für ihre Prozesse suchen. So sind unsere ersten zwei Roboter entstanden und das ist unser Weg, um die Produktpalette stetig zu erweitern. Die Kunden haben den Vorteil, eine vollindividualisierte innovative Lösung zu den besten Konditionen zu bekommen. Ich wäre besonders gespannt auf Anwendungsfälle, die Prozesse auf dem Shopfloor mit den administrativen Prozessen verknüpfen, weil die zwei Welten häufig nicht so gut miteinander sprechen – das Digitalisierungspotenzial könnte indes sehr hoch sein.  

Vielen Dank für das Interview, Herr Fadin!

 

Aniki Radde

Referentin Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit

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