„Nur gemeinsam kommen wir wieder an die Spitze“

Chef-Interview: Verhandlungsführer Oliver Barta über die aktuelle Tarifrunde

Frankfurt. Am 14. September starteten die Tarifverhandlungen zwischen der Verhandlungsgemeinschaft der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit der IG Metall in Oberursel. aktiv sprach mit Oliver Barta, Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands Hessenmetall, über herausfordernde Gespräche in schwierigen Zeiten.

Herr Barta, wie geht es aktuell der hessischen M+E-Industrie?

Alles andere als gut. Der nach der langen Corona-Krise erhoffte Aufschwung fällt aus. Die Prognosen der Volkswirte sehen uns vor einer Rezession. Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau von 2018 ist in diesem Jahr unmöglich und auch 2023 überhaupt nicht absehbar. Die Produktion liegt noch immer 12 Prozent unter dem Niveau von 2018. Und der Krieg in der Ukraine hat die durch die Corona-Krise aufgeworfenen Probleme wie Rohstoffmangel und gestörte Lieferketten noch verstärkt und gleichzeitig noch eine Energiekrise mit absurd anmutenden Preissteigerungen gebracht. Dabei brauchen die Unternehmen gerade jetzt jeden Euro für Investitionen in den von Dekarbonisierung und Digitalisierung getriebenen Strukturwandel.

Aber auch die Beschäftigten sind von der Inflation und den horrenden Energiepreisen betroffen …

Ja, aber 8 Prozent mehr, wie von der IG Metall für zwölf Monate gefordert, sind abseits jeglicher Realität. Die Inflation ist auch kein von den Arbeitgebern verursachtes Problem. Bei allem Verständnis für die Sorgen unserer Beschäftigen muss man sehen, dass wir alleine seit 2018 Lohnzuwächse von über 9 Prozent hatten und selbst in den schwersten Zeiten der Corona-Krise noch zwei ordentliche Einmalzahlungen geleistet haben. Laut einer aktuellen Umfrage bei den Mitgliedsunternehmen von Hessenmetall sieht sich aber derzeit jeder fünfte Betrieb in seiner Existenz bedroht, und ebenfalls in jedem fünften Betrieb ist Personalabbau ein Thema. Zwei von drei Firmen müssen geplante Investitionen reduzieren oder verschieben, und gerade mal 3 Prozent, also nur sehr wenige Firmen, können die höheren Kosten vollständig an ihre Kunden weitergeben.

Wo sehen Sie den Ausweg aus der aktuellen Krisensituation?

Wir müssen wieder gemeinsam nach vorne, weltweit zurück an die Spitze und Wachstum schaffen. Die letzten beiden Tarifrunden in der Corona-Krise haben gezeigt, dass wir Herausforderungen meistern können, wenn die Unternehmen und ihre Beschäftigten an einem Strang ziehen. Viele Firmen haben in der Corona-Krise auch über Kurzarbeit an den Beschäftigten festgehalten, obwohl weniger produziert werden konnte, und dafür finanzielle Reserven verwendet. Jetzt muss erst einmal wieder Geld verdient werden, um die Herausforderungen zu stemmen.

Warum müssen wir wieder zurück an die Spitze?

Wir sind seit Jahrzehnten einer der wesentlichen Wohlstandsgaranten unseres Landes. Die deutsche M+E-Industrie zahlt ihren 3,9 Millionen Beschäftigten ein durchschnittliches Jahresentgelt von 60.000 Euro. Über darauf gezahlte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge stützt sie ganz wesentlich unser Gemeinwesen und unsere üppig ausgestatteten sozialen Sicherungssysteme, von deren Leistungen noch mehr Menschen profitieren. Das ist nur möglich gewesen, weil wir mit unseren Beschäftigten Spitzenprodukte und Dienstleistungen entwickelt und weltweit erfolgreich verkauft haben. Um diesen Wohlstand zu halten, müssen wir gemeinsam alles tun, um die Krisen zu meistern und den Strukturwandel unserer Industrie vorantreiben.

Klingt nach Herkulesaufgabe, oder?

Ja. Lassen Sie mich ein Bild beschreiben: Der vor uns liegende Weg gleicht einem Aufstieg auf einen hohen Berg, den noch keiner kennt. Es gibt viele unterschiedliche Routen, aber wir wissen nicht, welche begehbar sein wird. Unser Rucksack ist durch die geschilderten Belastungen sehr schwer. Der Berg befindet sich in einem Terrain, in dem unsere bisherigen Spitzenpositionen keinen Erfolg mehr garantieren, sondern viele konkurrierende Bergsteigergruppen mit teilweise ganz anderen Ansätzen uns zu überholen und abzuhängen drohen. Aber gemeinsam können wir diese Aufgabe bewältigen.

Autorin: MAJA BECKER-MOHR

Patrick Schulze

Geschäftsführer Kommunikation

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