Studie Industriestandort Hessen
Ohne starke Industrie verliert Hessen weiter Wohlstand, Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven. Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam handeln

Wiesbaden, Frankfurt am Main: Die heute von den Arbeitgeberverbänden HESSENMETALL und HessenChemie sowie IW Consult vorgestellte Studie „Die Industrie als Treiber von Produktivität und Innovation für ein starkes Hessen“ zeigt: Hessen kann seine industrielle Basis nur sichern und ausbauen, wenn Politik und Wirtschaft gemeinsam an besseren Standortbedingungen arbeiten. Die Studie analysiert die Rolle der Industrie als Fundament des Wirtschaftsstandorts und betrachtet die Stärken und Herausforderungen. 200 befragte hessische Unternehmen fordern Bürokratieabbau, Infrastruktur-Offensive und mehr Innovation. Die Studie leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab.
Hanno Kempermann, Geschäftsführer IW Consult: „Die Zahlen verdeutlichen die zentrale Rolle der Industrie für Wachstum und Wohlstand in Hessen. Jeder fünfte Arbeitsplatz in Hessen hängt direkt oder indirekt von der Industrie ab, das sind mehr als 720.000 Jobs. Die Industrie wirkt in die Breite der Wirtschaft hinein. Die Wertschöpfungseffekte der Industrie in Hessen beliefen sich 2024 auf 72,4 Milliarden Euro. Besonders die Metall- und Elektroindustrie sowie die Chemie- und Pharmaindustrie haben eine herausragende Bedeutung für Beschäftigung, Wertschöpfung und Innovation im Land. Die hohe Produktivität hilft nicht nur attraktive Entgelte zu sichern, sondern trägt in den ländlichen Räumen entscheidend zur Wohlstandssicherung bei.“
Wolf Matthias Mang, Vorstandsvorsitzender HESSENMETALL: „Der Anteil der industriellen Bruttowert-schöpfung in Hessen ist seit 2016 von 19,0 auf 14,8 Prozent gesunken, die Beschäftigung ging um 7 Prozent zurück. Das ist ein deutliches Warnsignal, eine weitere Erosion unseres Industriestandorts hätte weitreichende ökonomische, gesellschaftliche und politische Folgen. Wir müssen unsere Stärken ausbauen. Wir gestalten die Transformation aktiv und brauchen Rückenwind in Form von investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen. Dann kann die Industrie weiter Treiber, Problemlöser und Gestalter einer digitalen, klimaneutralen und wettbewerbsfähigen Zukunft sein. Die Industrieunternehmen sehen dringenden Handlungsbedarf in den Feldern Bürokratie, Infrastruktur und Innovation. Dafür wurde unsere ‚Roadmap Industrie Hessen‘ mit ineinandergreifenden Handlungsfeldern erarbeitet, die auf Landesebene angestoßen und umgesetzt werden können.“
Oliver Coenenberg, Vorstandsvorsitzender HessenChemie: „Die hessische Industrie ist technologischer Vorreiter – mit Patentstärke, Innovationen und Hightech-Produkten. Unsere Industrie ist eng eingebettet in die exzellente hessische Forschungslandschaft und wir haben einen starken und erfolgreichen Industrie-Dienstleistungsverbund. Damit das so bleibt, braucht es bessere Standortbedingungen: weniger Bürokratie, wettbewerbsfähige Energie-, Arbeits- und Steuerkosten. Die Investitionen aus dem Sondervermögen Infrastruktur müssen in Hessen gezielt dort eingesetzt werden, wo sie den größten wirtschaftlichen Effekt haben – begleitet von echten Strukturreformen. Und klar ist auch: Ohne Fachkräfte geht es nicht. Hessen muss alle Bildungs- und Arbeitsmarktpotenziale mobilisieren, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“
Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer HESSENMETALL: „Die Industrie bleibt das Fundament der hessischen Wirtschaft, auch wenn das Umfeld schwieriger geworden ist. Sie ist stark im Land und stark fürs Land. Eine starke Industrie wirkt wie ein Multiplikator, sie schafft Arbeitsplätze, finanziert öffentliche Aufgaben und zieht Innovationen und Dienstleistungen mit. Um diesen Effekt besser zu heben, brauchen wir jetzt eine industriepolitische Agenda für Wachstum, Beschäftigung und Innovation in Hessen.“
Dirk Meyer, Hauptgeschäftsführer HessenChemie: „Ziel von HessenChemie und HESSENMETALL ist es, die Ergebnisse in den politischen Dialog einzubringen, eine breite öffentliche Debatte anzustoßen und Allianzen mit Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu schmieden. Die Zukunft Hessens entscheidet sich an der Frage, ob wir Industrie halten und stärken können. Die Roadmap zeigt den Weg, jetzt müssen Taten folgen.“
Details der heute veröffentlichten Studie „Die Industrie als Treiber von Produktivität und Innovation für ein starkes Hessen“
Lage der Industrie in Hessen (auszugsweise):
- Rückgang der Industriequote:
Seit 2016 ist die Industriequote in Hessen von 19,0 % auf 14,8 % gesunken. Der Rückgang in Hessen ist mit -4,2 Prozentpunkten stärker als im Bund (-2,5 Prozentpunkte). - Bruttowertschöpfung der Industrie:
Im Jahr 2024 belief sich die direkte Bruttowertschöpfung der hessischen Industrie auf 49,4 Milliarden Euro. Im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftsleistung Hessens macht der direkte industrielle Beitrag einen Anteil von 14,8 Prozent aus. - Wirkungspfade der Industrie auf Wachstum und Wohlstand:
- Hohe Produktivität:
Industriebeschäftigte schaffen rund 105.000 Euro Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen, ca. 15 % mehr als im Dienstleistungssektor. - Gesamtwirtschaftliche Bedeutung:
72,4 Mrd. Euro Wertschöpfung (2024) hängen über den Industrie-Dienstleistungsverbund an der Industrie, unter anderem kauft die Industrie Dienstleistungen im Wert von 14,7 Milliarden Euro ein. Die Verbundwertschöpfung entspricht jedem fünften Euro in Hessen. - Beschäftigung:
Direkt sind rund 469.000 Personen in der Industrie tätig. Durch die Nachfrage bei Zulieferern kommen weitere 186.000 Arbeitsplätze in Hessen hinzu, der durch Konsum induzierte Effekt sorgt für zusätzliche 65.000 Beschäftigte. Insgesamt hängen damit etwa 720.000 Arbeitsplätze in Hessen mit der Industrie zusammen. Das entspricht jedem fünften Arbeitsplatz in Hessen. - Regionale Verankerung der Industrie:
8 von 10 der Industriebeschäftigten arbeiten außerhalb der urbanen Zentren und sorgen so für flächendeckend gute Lebensverhältnisse in Hessen. - Zentraler Akteur für das Forschungssystem:
- 90 Prozent der externen FuE-Aufwendungen, also bei Forschungsleistungen, die Unternehmen von externen Akteuren wie Hochschulen oder außeruniversitären Instituten beziehen, entfallen auf die Industrie.
- Externe FuE-Aufwendungen sind seit 2007 um 205 Prozent auf deutschlandweit rund 28 Mrd. Euro gestiegen.
- Hohe Produktivität:
Handlungsempfehlungen (auszugsweise):
1. Bürokratieabbau und Beschleunigung von Genehmigungen
- Ausgangspunkt:
Lange Verfahren, Mehrfachzuständigkeiten und komplexe Abstimmungen hemmen Investitionen. - Empfehlungen auf Basis der 200 Befragungen von hessischen Unternehmen:
- Einführung verbindlicher Fristen und Genehmigungsfiktionen.
- Reduzierung von „Einvernehmen“ auf „Benehmen“ in Behördenverfahren.
- Nutzung von Ermessensspielräumen, Beschleunigungsgebote.
- Digitalisierung und verpflichtende E-Government-Workflows.
- Einführung von KPI für Verwaltung mit Zielsteuerung.
2. Infrastruktur modernisieren
- Ausgangspunkt:
Standortnachteile entstehen durch Energiepreise, Netzausbau, Verkehrsstau und Flächenknappheit. - Empfehlungen:
- Flächen mobilisieren (Brachflächen, beschleunigte Ausweisung von Industrieflächen).
- Investitionen in Energie- und Wasserstoffnetze, Gigabit-Ausbau, Verkehrswege.
- Verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen sichern.
- Pilotprojekte für Industrieansiedlungen.
3. Innovationsökosystem stärken
- Ausgangspunkt:
Hessen verfügt über starke Forschung, aber Ausgründungen, Start-ups und Transfer in den Markt sind zu schwach. - Empfehlungen:
- Hochschulen als Gründungszentren mit Entrepreneurship-Kultur stärken.
- Finanzierung und Förderung von Ausgründungen und Spin-offs.
- Matching-Plattformen für Unternehmen und Wissenschaft.
- Reallabore und Pilotflächen für neue Technologien (z. B. New Mobility/Defense, Life Sciences).
- Aufbau spezialisierter Innovationsparks, abgestimmt auf regionale Stärken (z. B. Pharma/Biomedizin in Südhessen, Mobilität/Defense in Nordhessen).
Hintergrundinformation:
Die Studie „Die Industrie als Treiber von Produktivität und Innovation für ein starkes Hessen“ basiert auf amtlichen Statistiken, ökonometrischen Modellen, Experteninterviews sowie einer Befragung von rund 200 Unternehmen aus der Chemie-, Pharma- sowie Metall- und Elektroindustrie in Hessen. Sie wurde von IW Consult im Auftrag von HESSENMETALL und HessenChemie erstellt.
Die Studie steht Ihnen hier zum Download bereit:
https://www.hessenmetall.de/themen-services/kommunikation/industrie-studie-hessen-2025.html
https://www.hessenchemie.de/oeffentlicherbereich/newsroom/publikationen
Presseanfragen richten Sie bitte an:
HESSENMETALL
Patrick Schulze
Geschäftsführer Kommunikation und Presse
Telefon: 069 95808150, Mobil: 0172 7261295, E-Mail: patrick.schulze@hessenmetall.de
HessenChemie
Jürgen Funk
Geschäftsführer Verbandskommunikation und politische Öffentlichkeitsarbeit
Telefon 0611 710649, Mobil: 0162 2710649, E-Mail: funk@hessenchemie.de
Im Arbeitgeberverband HessenChemie sind 310 Mitgliedsunternehmen mit 105.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen und kunststoffverarbeitenden Industrie sowie einiger industrienaher Serviceunternehmen zusammengeschlossen.
HESSENMETALL ist der Arbeitgeberverband der größten Industrie in Hessen und vertritt die Interessen von über 715 Mitgliedsunternehmen aus der Metall-, Elektro- und IT-Industrie mit rund 130.000 Beschäftigten. Die Mitgliedschaft steht Unternehmen sowohl mit als auch ohne Tarifbindung offen. HESSENMETALL ist für Arbeitgeber eine Serviceorganisation und die Netzwerk-Plattform für Arbeit 4.0. Dienstleistungsschwerpunkte sind Arbeitsrecht, Arbeitsbeziehungen, Tarifpolitik, Fachkräftesicherung, Kommunikation, Digitale Transformation, Nachhaltigkeitsmanagement sowie Technologietransfer.